Kurubamako

Als wir Drissa Kone 1989 in Bamako, der Hauptstadt von Mali, kennenlernten, war uns sehr bald klar, dass dieser Trommler eine Ausnahmeerscheinung darstellte. In seinen Händen wurde die Djembe zum sensiblen Melodieinstrument. Diese Fähigkeit wussten besonders die Tänzerinnen zu schätzen. Sobald Drissa bei einem Fest auftauchte und das Solo übernahm, verbreitete sich knisternde Intensität über den Tanzplatz.
Drissa wurde unser wichtigster Lehrer. Wir begleiteten ihn zu unzähligen Festen und waren bald im Besitz unzähliger Audioaufnahmen, die, so schön sie auch waren, gewisse Nachteile offenbarten. Diese ergaben sich aus dem Ablauf eines traditionellen Festes:
Üblicherweise wird eine Djembe-Animation im Rahmen eines Festes von Frauen in Auftrag gegeben, bezahlt und dominiert. Die Sängerinnen stimmen Lieder an. Die Trommler reagieren prompt mit dem passenden Rhythmus. Sobald die TänzerInnen das Parkett betreten, haben sie sich mit ihren Djemben und Dunduns voll und ganz nach ihnen zu richten. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Anlass des Festes, Familienstand und Alter der TänzerInnen und letztendlich die ethnische Zugehörigkeit der Festgäste entscheiden über Auswahl, Dynamik und Aufführungsdauer der Rhythmen. Die Interaktion zwischen Musikern, Publikum und TänzerInnen führt immer wieder zu abrupten Unterbrechungen und verbalen Einwürfen, die Trommler folgen den Tänzerinnen über den Festplatz. Da wir selber oft als Teil des Ensembles eingesetzt waren, war es uns unmöglich, diese teilweise extremen Schwankungen durch Neupositionierung des Microfones auszugleichen.
In uns entstand das Bedürfnis, Drissas Repertoire an Festmusikrhythmen aus Bamako in ihrer vom traditionellen Kontext losgelösten Reinform aufzuzeichnen. Die Gelegenheit dazu ergab sich bei einem Besuch in seinem Heimatdorf Kuruba, einem ruhigen und stimmungsvollen Örtchen im Manden. Wir luden die Dorfbewohner dazu ein und so wurde aus einer Aufnahmesession ein kleines Fest – ohne traditionellen Anlass und ohne die beschriebenen Begleitumstände. Es gab keine Auftraggeberinnen, denen die Trommler verpflichtet gewesen wären. Die Rhythmen durften im Vordergrund stehen, das anwesende Publikum lieferte die Atmosphäre.
Diese künstlich geschaffene Situation erlaubte den Trommlern das Entfalten nahezu schrankenloser Virtuosität. Die so entstandene Musik ist kompakt und gleichzeitig losgelöst, sie zeigt sich in ihrer reinen Ästhetik. Darüber hinaus musste sie keinen Anforderungen genügen.
Außer musikalischen, und genau das macht diese Aufnahmen zu etwas Besonderem. 
Gerhard Kero und Ulli Sanou

Drissa Kone
ist über seine Heimat Mali hinaus ein vielbeachteter und respektierter Djembespieler.
Früh begann er in seinem Heimatdorf Kuruba gegen den Willen seiner Eltern zu trommeln. Im Alter von 13 Jahren zog es ihn in die Hauptstadt Bamako, wo er im bereits verstorbenen Yamadou Bani Dunbia für lange Jahre seinen wegweisenden Meister fand.
In den 1980-er Jahren tourte Drissa als beliebter Festtrommler und Solist unzähliger Ballets durch Mali. 1989 lernte er in Mali Ulli Sanou und Gerhard Kero kennen, die nach einer intensiven Lernphase zu gern gesehenen Mitgliedern seines Festmusik-Ensembles wurden. Sie holten Drissa 1991 erstmals nach Europa und nahmen ihn in ihre Gruppe SANZA auf, wo er die darauffolgenden 7 Jahre an der Solodjembe zahllose Konzerte in Europa spielte und dabei unzählige Fans begeisterte. In dieser Zeit entstanden die beiden Tonträger “SANZA live” und “in search of the one”.
Spätere Engagements führten Drissa nach Frankreich, Spanien, Norwegen Deutschland und in die Schweiz. Im Sommer 2006 leitete er ein zweiwöchiges Spezialseminar für Profis an der Codarts University of Professional Arts in Rotterdam.
Die Informationen zu den einzelnen Rhythmen sind Auszüge aus einem Interview, das Gerhard Kero + Ulli Sanou mit Drissa Kone am 14.12.06 geführt und aufgezeichnet haben. Die kursiv gehaltenen Ergänzungen dienen dem besseren Verständnis.

Marakadon
ist ein Rhythmus der Sarahule, den Maraka aus der Gegend von Kayes. Dieser Tanz der Mütter hat sich weit verbreitet, sodaß man ihn heute überall hören kann. Früher wurde er nur mit Tamanis gespielt, später kam die Kenkeni dazu, die sehr schön mit dem Solo der Tamani korrespondierte. Die Djembe hat Begleitung gespielt.
Die Tamani ist eine sanduhrförmigen Trommel. Sie wird unter den Arm geklemmt und mit einem Krummstab angeschlagen Durch verschieden starken Druck auf die Spannseile können unterschiedliche Tonhöhen erzeugt werden.
Der Rhythmus Marakadon wendet sich hauptsächlich an ältere, verheiratete Frauen, die sogenannten Ehrenmütter, die die Mutter der Braut bei den Hochzeitsvorbereitungen und der Festfinanzierung unterstützen. Ihnen zu Ehren werden 1-3 Feste (denbatulonke) veranstaltet. Er wird deshalb auch Denbadunun oder Denbafoli genannt.

Suku + Farabakan
Die beiden wichtigsten Rhythmen im Soli (Beschneidungsfest) sind Suku und Fura. Farabakan gehört auch dazu, aber den tanzen nur die Frauen.
Suku ist ein Maninka-Rhythmus, der im traditionellen Kontext bei Beschneidungsfesten gespielt wird. Im Ethnienschmelztiegel Bamako gehört er mittlerweile zum Standardrepertoire bei nahezu allen Festen.
Es sei hier noch auf eine besondere musikalische Spezialität hingewiesen:
der Wechsel von Suku zu Farabakan passiert im Spielfluss – als würden auf einem akustischen Bildschirm Pixel für Pixel ausgetauscht bis ein völlig anderes Bild zu sehen ist.

Manjani
Der Manjani ist Daba Keitas Rhythmus. Ich hab Daba Keita einmal getroffen, als ich noch klein war. Fasiriman hat mit Daba gespielt, er war sein Solist, bevor er die Probleme mit seinen Fingern bekam. Später hat Fasiriman mir den Manjani gezeigt. Er hat mich immer wieder korrigiert: du spielst den Manjani gut, aber um an Daba Keitas Feeling heranzukommen, musst du ihn so und so spielen. Ich habe viele rolls von ihm gelernt. Bei einem Fest im Manden spiele ich Manjani allerdings nicht im Stil von Daba Keita.
Manjani ist ein wirklich traditioneller Rhythmus, Daba hat ihn schon vorgefunden.
In der Nähe von Kuruba gibt es einen Tümpel; wenn da viele Fische drin sind, gehen wir hin und fischen sie heraus. Ich habe gehört, daß vor langer Zeit Manjani gespielt wurde, bevor das ganze Dorf zum Tümpel fischen ging.
Durch die Ballets hat sich das Manjani-Feeling sehr verändert. Daba Keita hat viel Aufsehen erregt, weil er 2 Mädchen auf seinen Händen tanzen lassen konnte und eines noch auf seinem Kopf. Manchmal ließ er auch einen Djembespieler auf seiner Hand stehen und spielen.
Daba Keita hat den Manjani so weiterentwickelt, dass er einfach seiner geworden ist. Er ist auch viel gereist und hat ihn sehr bekannt gemacht.
Manjani ist der Tanz der jungen Mädchen – zumindest im Ballet. Daba hat den Manjani auch sehr gut getanzt.
Bei den sogenannten Ballets handelt es sich um vom Staat geförderte Tanztheater. Ein großes Ensemble bringt dabei in rasanten und virtuosen Gesamtkunstwerken Geschichten, Lieder, Tänze und Rhythmen verschiedener Ethnien des Landes zur Aufführung.

Madan + Urukutu
Der Madan ist in allen Mandeng-Dörfern allgemein bekannt und sehr populär. Ein Fest ohne Madan ist kein Fest! Selbst wenn du Michael Jackson auftreten lässt werden alle Leute zum Madan gehen, sobald er in Hörweite ist.
Das ist so, weil wir es nicht anders kennen. Weil wir da hineingeboren wurden, weil das unsere wahre Kultur ist.
Normalerweise besteht der Madan aus 2 Teilen. Der erste ist für die Frauen, die die Lieder singen und das Karignan (Metallröhre, die mit einem Stäbchen angeschlagen und zum Klingen gebracht wird) spielen. Im zweiten, schnelleren Teil tanzen die Männer. Dabei kann es sehr akrobatisch zugehen und die Mädchen werfen ihren Favoriten Blumen zu.
Man beachte den fließenden Übergang von binären zu ternären rhythmischen Strukturen innerhalb dieses Musikstückes. Dieser Wechsel erlaubt eine drastische und trotzdem kraftsparende Geschwindigkeitssteigerung und mündet in unglaublich ekstatische Tanzmusik.

Didadi
Didadi ist ein Bamana-Rhythmus. Ich hab ihn in Bamako kennengelernt.
Im Manden haben wir Didadi manchmal gehört, aber nie genau gewußt, was wir da spielen sollen. Wenn du immer nur im Mandeng-Gebiet bleibst… deshalb bin ich nicht dort geblieben!
Mir gefällt es in Bamako, dort trifft man Leute aus ganz Mali und kann praktisch alle Rhythmen des Landes kennenlernen.
Ich habe 2 verschiedene Didadi gelernt: den Didadi von Kolokani und den von Buguni.
In Buguni nennt man ihn Bari. Bari ist eine große Basstrommel, bespannt mit Rinderfell. Sie wird mit den Händen gespielt, nicht mit dem Stick. 2 Djemben spielen dazu und eine Sängerin singt. In Kolokani nennen sie ihn Djagowora, aber es ist der gleiche Didadi.
Didadi ist ein Rhythmus für die Bamana-Bauern, der nach der Regenzeit zum Erntedankfest gespielt wird. Die Tänzer tragen Masken und sind mit Schaffellen bekleidet, was sehr hübsch aussieht. Diese Feste nennt man Didadi-Tulonke (= Spiele) .

Garankedon
Das ist der Rhythmus der Lederarbeiter. Bei Hochzeiten tanzen ihn alle, aber bei einem echten Garankefoli tanzen nur die Lederarbeiter, so wie bei Numufoli nur die Schmiede und bei Wolosofoli nur die Unfreien tanzen. Ursprünglich kommt der Garankedon von den Kassonke aus der Gegend um Kayes, die haben sehr viel Garanke gespielt. Bei früheren Garanke-Hochzeiten wurde noch ohne Djemben gespielt, nur mit 3 Dunduns. Eine hat Begleitung gespielt, eine den Beat und die Große das Solo. Ich habe den Garanke in Bamako gelernt, sonst würde ich ihn nicht kennen.

Sogoninkunfoli
Sogoninkunfoli ist ein Maskentanz aus dem Wassulun. Ich kann ihn spielen, aber ich kenne nicht viele Geschichten dazu.
Die Maske ist dem Kopf eines Wildtieres nachempfunden.
Nur Männer tanzen mit Masken, ich habe noch nie Frauen gesehen. Vielleicht kommt es vor, aber der Kultur der Bauern entspricht es nicht.

Wolosodon
Woloso sind die Sklaven. Wenn früher Leute Streit miteinander hatten, waren es die Woloso, die ihn geschlichtet haben indem sie damit drohten, sich auf der Stelle nackt ausziehen! Das hat die Streithähne sofort einlenken lassen. Das war die Rolle der Woloso.
Sie haben nur 2 Rhythmen, den Wolosodon und den Sumalen. Hast du die Woloso schon einmal tanzen gesehen? Das ist sehr lustig.
Heute sind sie nicht mehr Sklaven im eigentlichen Sinn. Früher schon. Trotzdem: Wenn du zum Beispiel ein Horon bist, kannst du eine Woloso nicht heiraten. Du musst ihr viel Geld geben, damit sie frei wird. Danach kannst du sie heiraten. Selbst wenn sie schön ist – wenn sie Woloso ist und du Horon, kannst du sie nicht heiraten. So ist es.

Die Musiker:
Drissa Kone Djembe bafo (Solo)
Madou Jakite Dundun
Seydu Keita Djembe denfo (Begleitung)
Ulli Sanou Kenkeni
Gerhard Kero Kenkeni, Djembe denfo

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